Oktober 1996

Da war doch noch was!

Da war doch damals noch was! Erinnern Sie sich? Buß- und Bettag. Es war alles so praktisch: Schlachteplatten und Grünkohlessen; ach, ja - schade eigentlich. Und dann, war es auf einmal mit diesem freien Mittwoch vorbei, ein kurzer Aufschrei und... Nun gibt es ihn nicht mehr, den Buß- und Bettag.

„Denkste!” Es ist tatsächlich kein Druckfehler in Ihrem Kalender. Die kleine Chance ist geblieben. Und ‘mal so ganz unter uns: das ist doch auch ganz gut so, oder?

Es hat sich doch so einiges auf der eigenen Seele angesammelt und es möchte zu gerne entsorgt werden. Es sind keine Sensationen, aber als Menge kann das schlechte Gewissen reichlich an Gewicht zunehmen. Und wo könnte man diesen ganzen Müll loswerden?

Bei der „Schlachteplatte” muß ich meine Fassade pflegen, oder soll ich etwa all den anderen am Tisch sagen, daß ich...? Nein, was sollen die von mir denken. Und ob ich mich für das schlechte Gewissen der anderen interessieren möchte - ich weiß nicht. Jeder kehre doch gefälligst vor seiner eigenen Tür.

Doch stellen Sie sich selber die vielen Mülltüten in der viel zu engen Abstellkammer vor und keiner will micht entlasten.
Keine Sorge, es gibt sie noch, die Möglichkeit, den persönlichen Müll auf der Seele los zuwerden. Der Buß- und Bettag ist immer nur eine kleine Hilfe, so etwas wie ein rotes Kreuz auf dem Kalender, für alle Fälle. Aus freiem Entschluß „Ja!” sagen zu können auf die Frage, ob ich mich mit „Gedanken, Worten und Werken” belastet habe, die mir und anderen Menschen Schaden brachten. Und dann auch noch darum bitten zu dürfen, daß ich von dieser Last befreit werde. Ja, mehr noch, ich darf mich in einem Kreis von Menschen wiederfinden, denen es genauso geht. Und keiner von ihnen versteckt sich vor mir, alle sagen sie - wie ich auch - einfach nur „Ja!”. Und dann wird auch noch versprochen, daß mein Gott mich immer noch annimmt und keine miesen Sprüche losläßt.


    Christel Prüßner, Religionspädagoge und Diakon