Januar 1998

..„Grüss Gott!“

..„Grüss Gott!“ - Selbst beim Lesen dieser beiden Worte durchfährt manchen Mitmenschen so eine Art "heiliger Schreck“. Und dann wird schnell scheinbar fröhlich geantwortet mit: „Ja, wenn ‘denn siehst“ Dabei sage ich damit doch eigentlich gar nichts anderes als: Lieber Mitmensch, ich bin ein Geschöpf meines Gottes und ich hoffe, daß ich ihn derart angenehm repräsentiere, daß es für Dich und mich eine angenehme Begegnung wird!“ oder eben kurz: „Ein Gruß von meinem Gott!“ Warum sollte ich mich auch nicht zu meinem Gott bekennen. Mir fällt das nicht schwer.
Nun kann es grad daran liegen. Daß die anderen Menschen um mich herum, mit ihrem Gott doch noch nicht so im Klaren sind. Was sagt jemand, der seinen Gott an der Börse anbetet und seine Heilige Schrift der tägliche Kurszettel ist? Das ist gar nicht abwertend gemeint, weil ich immer hoffe und sogar davon ausgehe, daß jeder sich auf einen guten und liebenden Gott verlassen darf. Dort tritt er vielleicht in lebendiger Form als Idol auf, da in Form eines Gegenstandes in der Natur, oder vielleicht ist es eine große Idee. - „Woran Du Dein Herz hängst, daß ist Dein Gott!“ sagte vor 450 Jahren Martin Luther und damals war es nicht so einfach, zu sagen: Mein Gott ist nicht der Gott, der in den Kirchen angebetet wird. Das war damals schon eher lebensgefährlich. Aber heute. Mir scheint, als hätten wir heute vor einander Angst, anderen zu sagen, wo die Quelle des eigenen Standortes liegt, das macht mich scheinbar verletzlich, angreifbar, vielleicht sogar schutzlos? - Ich persönlich kann dem nicht zustimmen, ich fühle mich „sauwohl“ in meiner Haut. Nicht alles, was mein Gott von mir erwartet, finde ich so richtig „pralle“, und das wage ich ihm entgegenzuhalten. Ich habe nicht den Eindruck, daß mir das schadet. Mein Gott hat mir ein schönes Leben geschenkt, eines, das ich allen Menschen so ähnlich wünsche. - Und darum: Wenn ich einem anderen Menschen begegne, sage ich eben „Grüß Gott!“

     

    Christel Prüßner, Religionspädagoge und Diakon