OFFEN GESAGT...
Januar 2001 |
Die schöne neue Welt – gefällt? |
Es lässt sich mit der neuen Welt ganz gut leben. Ganz neue Perspektiven. Und das nicht einfach "nur so", sondern auf vielfältige Arten und Weisen - das ist HERRlich! Das Mobil-Telefon lässt viel mehr Kontakte zu. Der aus der Mode geratene Brief ist plötzlich wieder zu Ehren gekommen, nun als eMail und SMS - wir haben uns wieder was mitzuteilen. Endlich kann ich mich an den Bildschirm setzen und muss nicht einfach nur zusehen, sondern ich kann auch mitmischen, ich kann mit meinem Computer zu allen möglichen Menschen in der Welt sofort Kontakt aufnehmen, die können mir mit ihrer Kamera über dem Bildschirm zeigen, ich sehe sie, sie bewegen sich, ich kann sie hören. Ach, was waren das für dürre Zeiten, als wir nur einen einzigen Sender im Radio empfangen durften, gar kein Fernseher in der Wohnung stand, eine Telefonat nur mit Duldung des Nachbarn und mit Voranmeldung beim Fernanmeldung möglich war. Ach, was waren wir arm dran! - Wirklich? Wir sahen die Menschen leibhaftig vor uns, jede Begegnung mit Bekannten aus der Nachbarstadt oder mit den Verwandten aus dem Nachbarkreis war ein Ereignis. Der Brief vom Schulfreund war voller Inhalte und berichtete von wichtigen Dingen, bis hin zu Gefühlen und Eindrücken. Vieles hat sich seit dem geändert - offen gesagt: es ist eine schöne neue Welt - aber mit mehr Schein als Wirklichkeit. Die kurze Textnachricht eben auf Franziskas Handy kam ihr "komisch vor, woher kommt die, wer will da was von mir, wer hat denn da meine Nummer - und was soll dieser gemeine Satz?!"; oder ich denke an Olaf, der seit vier Tagen versucht, seinen Freund zu erreichen, "weder per eMail, noch per Telefon! - nichts! - wo mag der stecken?" - Olafs Freund wohnt im Nebenhaus. Gestern im Internet-Kaffee beobachtete ich einen mir unbekannten Zeitgenossen, wie er sich durch das Eingeben von kurzen Texten mit einem anderen Menschen irgendwo in der Welt gedanklich austauschte. Er schickte einen Text in die Welt und wenige Minuten später erschien eine Antwort auf dem Bildschirm. Dann auf einmal: "Oh, Gott!" - es ist nicht fair, den Menschen zu ärgern, wenn eine Internetverbindung zusammengebrochen ist, aber es interessierte mich doch: "Wieso Gott? Hatten Sie eben mit ihm Kontakt?" Das Gesicht hätte ich aufnehmen sollen und im Internet verbreiten - "Gott? Ich bin doch kein kleines Kind mehr, das an den Weihnachtsmann glaubt? - nee, das war eben jemand aus Seattle, der mir was ulkiges von seiner Freundin erzählte!" - "Sie kennen den?!" - "Nee, wieso?!, den habe ich grad eben so gefunden." - "ach ja?! - und woher wissen Sie, dass sich der wirklich in Seattle befindet und nicht in Seelze und dass dieser ER nicht eine SIE ist?" - "Warum sollte ich dem das denn nicht glauben?" Da habe ich es mit meinem ehrlichen Gott doch einfacher, den kann mir keiner einfach so abschalten, da kann nicht jemand die Software durcheinander bringen und weg ist er; der erzählt mir nicht einfach was von anderen, sondern der nimmt mich ernst. Offen gesagt: Seine schöne Welt gefällt mir! |
Christel Prüßner, Religionspädagoge und Diakon |