Januar 2007

Richtig in Form

Bei der Herstellung von Keksen und Autos ist ja alles ganz klar. Bewährt hat sich bei beidem die Benutzung einer vorgefertigten Form. Und wenn dann als gewisse Besonderheit, oder sollte ich als persönliche Note für jeden Keks noch ein Klecks Zuckerguss oder Schokostreusel... Da wird sicherlich jetzt erwidert, dass Weihnachten schon eine Weile hinter uns liegt und dass Kekse und Autos doch wohl eher wenig gemeinsames aufzuweisen haben. Offen gesagt: Weihnachten ist nicht schon eine Weile her, wir befinden uns nach christlich abendländischer Tradition noch in der Weihnachtszeit und dabei geht es jedes Mal von neuem um das „Euch ist ein Kind geboren“ - kein Produkt und auch kein Massenerzeugnis, etwas sehr individuelles, etwas höchst persönliches. – Auf die Kekse und Autos und die Form lenkte mich tatsächlich Anfang dieser Woche der Sammelplatz für die verbrauchten Tannenbäume in meinem Wohnbezirk, wohin ich unser Schmuckstück brachte. Und da – ich musste tatsächlich kurz auflachen! – das kann doch wohl nicht wahr sein! Ein Tannenbaum, der erst einmal richtig in Form gebracht wurde, bevor er in irgendeiner der umliegenden Wohnungen Platz nehmen konnte. Und ich dacht bis dahin an einen Einzelfall, den ich vor geraumer Zeit in einer Kirche beobachtet hatte. Ich kam damals dazu, als der Weihnachtsbaum grad aufgestellt worden war, der Küster und ein Kirchenvorsteher mit Handsäge und Bohrmaschine bewaffnete schnitten hier einen Ast raus, bohrten an anderer Stelle ein Loch, und steckten dort den Ast, nach kurzem Anspitzen wieder rein. Auf die Frage nach dem WARUM bekam ich die einfachste der denkbaren Antworten: Schließlich soll der Tannenbaum auch nach einem Weihnachtsbaum aussehen. – Und dann verging mir am Montag schnell das Lachen, als ich wenige Stunden später beim Warten auf... [das lasse ich besser weg!] ein Gespräch zwischen zwei offenbar wichtigen Menschen eben mit bekommen konnte, sie reden nicht einmal versuchsweise leise. Es ging um die Abwägung zwischen zwei Kandidaten für die Neueinstellung „Ich schlage dringend vor, dass wir uns auf die Frau Ro... einigen, die schien mir an einigen Stellen durchaus noch gut formbar!“ – und ich musste unwillkürlich an die tonnenschwere Presse denken, bei der vorne ein Stück Stahlblech geschoben wird und am anderen Ende ein vermeintlich schön anzusehender Keks. – Offen gesagt, hier möchte ich am liebsten abbrechen. Aber wie ist das doch mit den Wünschen und Werbungen: Schöner aussehen! Schön aussehen wie... ich möchte auch gerne mal...

Bei der Herstellung von Keksen und Autos ist ja alles ganz klar; bewährt haben sich Formen – aber wer von uns, die wir lesen und schreiben können, ist schon ein Keks oder ein Auto?

     

    Christel Prüßner, Religionspädagoge und Diakon