DA 2009-07-17

„Brauchen Sie Tapetenwechsel?“
 

Am Montag traf ich eine sonst im Alltag so fröhliche, lebhafte Frau. Sie sah ziemlich „fertig“ aus, müde. Gestützt auf beide Hände wirkte die Müdigkeit doppelt so stark. Und dann kam es wie ganz tief aus der Seele: „Noch eine Woche – aber dann! Ich brauche unbedingt mal Tapetenwechsel!“ - Ausgerechnet wenige Minuten vorher hatte ich im Radio das genau dazu passende Lied vom Hildegard Knef gehört – mehr nebenbei. Ich musste es unwillkürlich anstimmen, aber wie lautet eigentlich der richtige und vollständige Text? „Ich brauch' Tapetenwechsel sprach die Birke. Und macht sich in der Dämmerung auf den Weg. Ich brauche frischen Wind um meine Krone; ich will nicht mehr in Reih und Glied in eurem Haine stehen, die gleiche Wiese sehen; die Sonne links am Morgen, abends rechts.“ (von 1970)


Tapetenwechsel zum Auftanken, zum Kraftschöpfen? Allein die vielen Wege zu diesen Renovierungen des Inneren kosten zusätzliche Kraft, das Packen der Koffer, die Staus auf den Autobahnen, die Schlangen an den Abfertigungsschaltern. Und was erwartet die Renovierungsbedürftigen am Ziel. Neue Tapetenmuster, neues Mobiliar, ja sogar neue Mitbewohner gehören zur Ausstattung. Aussichten aus den anderen Fenstern, auf reizende Umgebungen. Viele Bilder werden mit der Kamera zur Erinnerung eingefangen, von dem schönen blauen Himmel, dem bunten Leben am Strand, dem fröhlichen angerichteten Buffet; dazu die hübschen alten Häuser in den Seitenstraßen.

Und dann nehme ich den Weg nach Hause wieder auf. Der Tapetenwechsel wird wieder rückgängig gemacht? Dürfen die mitgebrachten Muster in mir Raum greifen, einen vorher matten Platz mit neuer Farbe füllen? - Das ist allen Urlaubs- und Ferienreisenden zu wünschen, sie sollen ein Stück Farbe in sich einsetzen können, die in den nächsten Wochen und Monaten einen guten Ausblick ermöglichen.

Urlaub als Flucht, das wäre die falsche Richtung und das beschreibt der Text des Lied von Hildegard Knef gesungenen Liedes (Text von Hans Hammerschmid) am Ende auch. Für einen guten Moment etwas anderes sehen, einen anderen Duft aufnehmen, einen neuen Geschmack auf genießen, mit anderen Menschen sprechen; ob in der Ferne oder gleich nebenan im kleinen Park – und dann wieder zurück zum eigenen „Birkenhain“ und sich geborgen fühlen dürfen. - Darum ist vielleicht das neue Bild auf der Tapete die bessere Lösung!


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    Hildegard Knef (Text: Hans Hammerschmid )
    TAPETENWECHSEL

      Ich brauch' Tapetenwechsel sprach die Birke
      Und macht sich in der Dämmerung auf den Weg
      Ich brauche frischen Wind um meine Krone
      Ich will nicht mehr in Reih und Glied
      In eurem Haine stehen, die gleiche Wiese sehen
      Die Sonne links am Morgen, abends rechts.

      Ich brauch' Tapetenwechsel sprach die Birke
      Und macht sich in der Dämmerung auf den Weg
      Ein Bus verfehlte sie um 20 Zentimeter
      Und auf dem Flugplatz war sie ernsthaft in Gefahr
      Zwei Doggen folgten ihr um Astes Breite
      Und kurz nach zwölf traf sie ein Buchenpaar.

      Ich brauch' Tapetenwechsel sprach die Birke
      Und macht sich in der Dämmerung auf den Weg
      Die eine sprach: „Sie haben hier nichts zu suchen
      So was wie Sie hat nicht einmal ein Nest!”
      Sie wurde gelb vor Ärger und weils auch schon Herbst war
      Verzweiflung kam ihr langsam ins Geäst.

      Ich brauch' Tapetenwechsel sprach die Birke
      Und macht sich in der Dämmerung auf den Weg
      Des Försters Beil traf sie im Morgenschimmer
      Gleich an der Schranke, als der D-Zug kam
      Und als Kommode dachte sie noch immer
      Wie schön es doch im Birkenhaine war.

      Ich brauch' Tapetenwechsel sprach die Birke
      Und macht sich in der Dämmerung auf den Weg


     

    Christel Prüßner, Religionspädagoge und Diakon

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