OFFEN GESAGT...
August 2011 |
"Der Duft der großen weiten Welt" |
Offen gesagt, ich wüsste zu gerne, welches der "Duft der großen weiten Welt“ ist? - Dass es da einst Werbekampagne mit diesen Worten gab, wird eher Menschen ab 40 Jahren und älter erinnerlich sein. Doch wurde dieser Slogan bald zu einem geflügelten Wort für den Wunsch, das Empfinden geschenkt zu bekommen, über und in dieser Welt zu schweben, unbelastet und voller Glücksempfindungen. Vor wenigen Tagen begegnete mir zu unserer gemeinsamen Überraschung ein Mann wieder, dem ich – wir mussten beide nachrechnen! - über zwanzig Jahre nicht mehr begegnet bin. Das letzte Mal sahen wir uns, als er sich als 14jähriger konfirmieren ließ; ich hätte ihn noch nicht einmal wieder erkannt; er war es, der mich ansprach. „Erinnern Sie sich noch an mich!“ und ich ließ mir beim Erinnern helfen. - „Wissen Sie, woran ich in den letzten Monaten immer denken muss, Sie werden es nicht glauben, an einen Nachmittag im Konfer mit Ihnen.“ Er blieb in seinen Worten freimütig und ich wollte seine Lust zu erzählen auch nicht bremsen. „Eigentlich – wenn ich ehrlich bin – fand ich jeden Konfertag schei... Sie wissen schon, was ich meine! Aber jetzt ist unsere Tochter knapp zwei Jahre alt und wenn wir jetzt nach draußen gehen, auf die große Wiese hinter unserem Haus, dann kommen wir gar nicht weit. Bei jedem Schritt, den die Lütte macht, entdeckt sie zu ihren Füßen wieder etwas Neues, zeigt darauf, ein Tier welcher Art auch immer, eine Blüte, einen Stein oder den kleinen Ameisenhuckel. Alles will sie mit zeigen, ich muss ganz genau hinsehen und zusammen mit ihr staunen, es in die Hand nehmen, streicheln, bewegen. Acht Jahre lang bin ich für meine Firma durch die Welt geflogen, haben die Welt gesehen – wie man sagt – habe mir viele Sprachen übersetzen lassen dürfen, habe neue Speisen kennen gelernt. - Aber wie der Wiese hinter dem Haus meiner Eltern duftet, wie viele Dinge da zu sehen sind, krabbeln und fliegen. Ich hatte keine Ahnung.“ - Und was hat diese Wahrnehmung mit der Konfirmandenzeit vor über zwanzig Jahren zu tun? Zu den Standards in der Konfirmandenzeit gehörte wohl überall damals die sogenannten Schöpfungsgeschichten der Bibel. „das war doch damals eigentlich ein alter Zopf, langweilig, weil das doch Kinderkram ist, wer kann so'was Dummes schon ernst nehmen? Und bei so einem Versuch mit der Tochter doch den Waldrand zu erreichen und ich wieder mit ihr auf den Knien lag und staunte, da begriff ich, was Sie damals gesagt hatten: Jeden Tag geschieht diese Schöpfung von neuem, jede Woche, jeden Monat, und wenn auch jeder Tag scheinbar wie der vorherige ist, es ist wieder ein ganz neuer, mit ganz neuen Dingen die hinzukommen werden!“ das soll ich gesagt haben? Ich wollte ihm da nicht widersprechen, denn jetzt war es seine Entdeckung, seine Wahrnehmung, zu der ihm sein Kind verholfen hatte. Wenn das Kind jetzt größer wird, kommen neue Entdeckungen hinzu, nach dem Wald auch die Straße, der Ort und bald wird aus dem Entdecken auch das eigene Hinterfragen erwachsen, das kleine Forschen, das Wissen-wollen wie das alles um mich herum zusammen gehört, funktioniert. Dieses froh gestimmte Gesicht des Mannes sehe ich jetzt immer noch vor mir, der mit seinem Kind lernen darf und dabei entdeckt, dass der Duft großen weiten Welt gleich vor der eignen Haustür beginnt und dass es an jedem von uns liegt, diesen Duft wahrzunehmen, ihn uns zu bewahren – denn wir benötigen ihn dringender, als wir bei unserer Sucht in die Ferne wahrhaben möchten.
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Christel Prüßner, Diakon u. Relig.Pädagoge |
im Deister-Anzeiger veröffentliche Version vom 5.8.2011 |
Der Duft der großen weiten Welt Offen gesagt: Ich wüsste zu gern, wie der Duft der großen weiten Welt riecht. Dass es da einst eine Werbekampagne mit diesen Worten gab, daran werden sich eher Menschen ab 40 Jahren erinnern. Doch wurde dieser Slogan bald zu einem geflügelten Wort für den Wunsch, über und in dieser Welt zu schweben, unbelastet und voller Glücksempfindungen. Vor wenigen Tagen begegnete mir ein Mann wieder, den ich mehr als 20 Jahre nicht gesehen hatte. Das letzte Mal sahen wir uns, als er sich als 14-Jähriger konfirmieren ließ. „Erinnern Sie sich noch an mich?“, fragte er. „Wissen Sie, woran ich in den letzten Monaten immer denken musste? An einen Nachmittag im Konfirmandenunterricht mit Ihnen.“ Seine Tochter sei nun knapp zwei Jahre alt und wenn er mit ihr jetzt nach draußen ginge, auf die große Wiese hinter dem Haus, entdecke sie bei jedem Schritt etwas Neues – ein Tier, eine Blüte, einen Stein oder einen Ameisenhaufen. „Acht Jahre lang bin ich für meine Firma durch die Welt geflogen, habe viele Sprachen und neue Speisen kennengelernt“, erzählte er. Aber wie die Wiese hinter dem Haus der Eltern duftet, wie viele Dinge da zu sehen sind, wusste er nicht. Doch was hat diese Wahrnehmung mit der Konfirmandenzeit von vor 20 Jahren zu tun? Zu den Standards gehörten wohl damals die sogenannten Schöpfungsgeschichten der Bibel. „Das war doch damals eigentlich langweilig, ein alter Zopf“, sagte er. Doch bei dem Versuch, mit der Tochter den Waldrand zu erreichen, „als ich dann mit ihr auf den Knien lag und staunte, da begriff ich, was Sie damals gesagt hatten: Jeden Tag geschieht diese Schöpfung von Neuem, jede Woche, jeden Monat.“ Und wenn auch jeder Tag oft wie der vorherige schiene, sei er immer wieder ein ganz neuer, mit ganz neuen Dingen. „Das soll ich gesagt haben?“, fragte ich mich. Ich wollte ihm da nicht widersprechen, denn jetzt war es seine Entdeckung, seine Wahrnehmung, zu der ihm sein Kind verholfen hatte. Christel Prüßner, Diakon in der Kirchenregion Springe. 05.08.2011 / LKDA Seite 4 Ressort: SPRI
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