April 2008

"SIE HABEN DOCH ZEIT!"

Offen gesagt, „Sie haben doch Zeit!“ - In einer Gesprächsrunde sammelten wir alles was uns an Redewendungen einfiel zum Wort „ZEIT“ - Die Zeit, die ich totschlagen kann, war da genauso verschenkte Zeit, oder die Zeit die Geld kostet, Es scheint Leute zu geben, die haben Zeit im Überfluss und andere haben eigentlich nie Zeit... Ich muss an eine Urlaubsreise denken, die meine Frau und mich mit zwei Zeitextremen in Berührung brachten. Dazu muss man wissen, wir gönnen uns gern die Zeit des Urlaubs und verzichten zu gerne schon bei der Anfahrt auf den eigenen fahrbaren Untersatz – es geht auch ohne. Es gibt so viele Möglichkeiten sich fort zu bewegen, selbst die Linienbusse laden dazu ein, wenn man sich an ihre Zeiten gewöhnen mag – es geht! Und so kamen wir eines Tages in einen in Sportlerkreisen beliebten Ort, den wir aber wegen seiner Kunstschätze erkunden wollten. Zum Mittagessen kehrten wir in einem Gasthaus ein, bestellten und warteten – und warteten – wir hörten aus der Küche den Koch schimpfen - es war wohl nicht sein Tag. Und nach 90 Minuten fragten wir bescheiden an, ob wir in absehbarer Zeit mit dem bestellten Essen rechnen könnten. Die Antwort war entwaffnend und traf in uns genau die richtigen: „Sie haben doch Urlaub, da werden Sie schon Zeit haben müssen!“ (von dem Busfahrplan erzählten nichts und gingen lieber!). Schon wenige Tage später am anderen Ende des Tales ein ebenso berühmter wie ansehnlicher Ort. Der Zug hatte uns von unserem Urlaubsmittelpunkt dorthin gebracht, der Tag war genau nach unserer Mütze, die Stadt hatte wirklich überraschendes für das Auge zu bieten und dann zum Abschluss noch ein Kaffee im Straßen-Restaurant. Kaum haben wir ausgetrunken, steht schon die Service-Kraft neben uns, „Sie sind fertig, dann kann ich ja abkassieren, und sie können weitergehen, die nächsten Gäste warten schon!“ ich schaue sie erschrocken an und frage, ob wir nicht noch eine Weile hier uns ausruhen könnten, nein „Sie hatten Zeit genug den Kaffee zu trinken, jetzt mach Sie bitte Platz hier!“ - Dass das Maß der Zeit noch am selben Tag am Bahnhof voll in Anspruch genommen wurde, sei nur kurz erwähnt, nach einem schweren Zugunglück, fuhr an diesem restlichen Tag kein Zug mehr! Auf einmal hatten wir unsäglich viel Zeit zum Warten auf das was da wohl noch kommen würde. Irgendwann nach drei Stunden kam ein Bus für die gestrandeten Fahrgäste.

.Und Gott spricht: „Es sollen Lichter in der Ausdehnung der Himmel werden, um eine Scheidung zwischen dem Tag und der Nacht herbeizuführen; und sie sollen als Zeichen und zur Bestimmung von Zeitabschnitten und Tagen und Jahren dienen.“ (Genesis 1,14)

Zeit ist nicht anderes als die Einteilung eines nahezu nicht vorhandenen Raumes, in dem ich leben darf und wie ich dieses Raum gestalte, das kann ich vielleicht mit der Uhr oder Kalender grob beschreiben. Doch schließlich und endlich ist der Wert von Zeit nicht wirklich fassbar. Stehe ich in einem winzigen absolut dunklen Raum an einem Vergrößerungsgerät und will ein weißes Blatt Fotopapier belichten lassen, dann erscheinen mir 2 Minuten warten zwischen Ein- und Ausschalten wie eine Ewigkeit. Sitze ich dann aber im Urlaub oben auf der Eidechsspitze und genieße das unendliche Panorama der Alpen und der dazu gehörenden Täler und Bergspitzen, dann sind mir Stunden für diesen Genuss wie ein viel zu kurzer Augenblick! - Lerne ich also mehr und mehr, nicht die Uhr im Blick zu haben, sondern das Geschehen um mich herum und in mir drin – denn die Zeit dafür habe ich geschenkt bekommen!

     

    Christel Prüßner, Diakon und Religionspädagoge