Res 005

"OFFEN GESAGT,
BE-ACHTUNG SCHENKEN,
TUT BEIDEN GUT!
"

 

Streng genommen ist es ja nur ein Wortspiel – eine Wortklauberei – so meinst Du vielleicht, wenn Du diese eigenwillige Schreibweise „BE-ACHTUNG“ liest. Und wenn ich Dir gegenüber ehrlich bin, dann ist es bei mir am Anfang immer nur eine Spielerei mit Worten. Denn bei diesen Spielen mache ich all zu oft erstaunliche Entdeckungen oder lasse mir Wahrnehmungen schenken, mit denen ich dann wieder für eine ganze Weile sehr kreativ und oft auch sehr neugierig umgehe.

Beachtung, die Dir geschenkt wird, hat zuallererst etwas mit dem (drauf) Achten zu tun, Achtgeben, auf etwas Acht haben – oder das Verkehrsschild am Straßenrand, dass mich auffordert, auf konkrete Dinge oder Geschehnisse besonders Acht zu geben. - Du kannst aber auch in Deinem Alltag so vieles außer Acht lassen, bewusst oder durchaus auch mit voller Absicht.


Bei meinem Neugierig sein kam ich an diesem Wort vorbei: „Die Wege eines jeden von ihm geschaffenen Menschen liegen offen vor dem HERRN, und er hat Acht auf aller Menschen Gänge.“ Das war zunächst nur eine vergilbte Grußkarte. Jemand hatte diese Worte auf die Bilderseite geschrieben, die einen Wanderweg im Wald erkennen ließ.


Wenn ich Dir die Achtung erweise, wenn ich Acht auf Dich gebe, dann – ja was eigentlich? Wie oft beobACHTEST Du einen anderen Menschen, musst unwillkürlich schmunzeln oder lächeln oder überziehst Dein Gesicht mi Sorgenfalten. Die siehst Dinge, die Deine Gefühle anrühren, weil Du diesem anderen Beachtung geschenkt hast.

Und wenn jetzt noch Funke bei Euch beiden überspringt, dann gibt es die Möglichkeit einer sehr interessanten Begegnung für Euch beide. „Warum musstest Du schmunzeln? - Lachst Du mich aus?! - Habe ich was Falsch gemacht!?“ Geht Ihr beiden dann nach einige Zeit wieder auseinander habt Euch ausgetauscht (auch das ein Wort zum Entdecken) wirst Du noch eine Weile dieser Begegnung in Deinen Gedanken nachhängen – UND DANN achte mal auf Dich. Du hast Dich selbst ganz neu entdecken dürfen, in dem anderen, durch seine Worte, durch seine Art Dich anzusehen. Da stand gewissermaßen ein Spiegel Dir gegenüber. Der andere konnte Dich verstehen, er ist auf Dich eingegangen, er hat auf Deine Wort geachtet und ihr beide seid aneinander in der gegenseitigen Achtung gewachsen, ihr habt eich gegenseitig geachtet und damit gestärkt.


Die alte Grußkarte hatte mich noch nicht losgelassen. Wie kommt man auf solch eine Einsicht, vielleicht nach einer gelungenen Urlaubsreise, einem Wochenendausflug? Und siehe da, es ist eine Erkenntnis, die schon über 2000 Jahre alt ist. Bereits in der Sprüche-Sammlung unserer Bibel (Sprüche/Kohelet 5,21) findet sich dieses Doppelsatzes. Ich ahne es aus eigener vielseitiger Anschauung: Wie oft habe ich bei meinem kleinen und größeren Ausflügen und Reisen schon erstaunliche Entdeckungen machen dürfen; Kleinigkeiten, Naturwunder, bewegende Begegnungen mit Fremden; aber auch auf den einsamen Wegen, die Entdeckungen des Unsichtbaren.

Einer dieser Wege war vor gar nicht langer Zeit der Gang nach „Buchenwald“. Ich hatte mir für den Besuch der KZ-Gedenkstätte den falschen Tag ausgesucht. Der Linienbus für noch nicht. Also machte ich mich auf der Blutstraße zu Fuß auf den Weg. Es war ein schöner Sonnentag, klares Wetter, ganz wenig Verkehr auf der festen Straße und dann liefen in Gedanken die ausgemergelten Menschen in schlechtem Schuhwerk an den Füßen, als die Getriebenen, als die Verachteten, als die Missachteten. Und angekommen am Tor mit dem alle Achtung beraubenden Text „JEDEM DAS SEINE“ - Ich war dankbar für diesen Weg und die Begegnungen – auch mit ihm, meinem Gott.

Denn Beachtung schenken heißt, sich gegenseitig beschenken.

Beachtung schenken - jemanden in den Blick nehmen
(entstanden beim Honigkuchen- u. Senffest 2011
in Eldagsen - Foto: Prüßner, Hannover)

 

     

    Christel Prüßner, Diakon und Religionspädagoge