2011_res006 (veröffentlicht: 16.03.2012)

„Ehret das Alter!“ - „Ey, Alter!“

Ehret das Alter!“ - „Ey, Alter!“

OFFEN GESAGT, der Alltag bringt mich auf die Spuren, die eigentlich keiner sucht. Innerhalb weniger Augenblicke bin ich vor wenigen Tagen mehrere Male mit der Klassifizierung „Alter“ in Berührung gekommen - „ich bin aber doch auch schon alt!“ sagte die kleine Lady leicht angesäuert zu ihrer Mutter, soeben eingeschult, schon alt – genauer gesagt sechs Jahre. Die wenige Minuten später erfolgende Begegnung war dann die Clique im Linienbus – Schulschluss und man sucht sich einen Platz auf den lauschigen letzten Bänken, „Ey Alter, wo hast Du denn das Teil da her?!“ Doch Moment mal, da war doch soeben gar kein männliches Wesen an mir vorbeigerannt, alle so um 14/15 Jahre alt; Alter? - Am folgenden Samstag sitze ich in einem Gemeindehaus, der Einladung zum Männerfrühstück folgend, jeder kennt nur zwei oder drei aus der großen Runde im Saal, das Thema hat wieder einmal zusammengeführt; beugt sich mein Nachbar zu mir und meint „Wenn ich mich so umschaue, eigentlich doch nur alles alte Semester hier, bis auf zwei drei Ausnahmen – wie alt sind Sie eigentlich, das wüsste ich doch zu gerne, so jung wie Sie aussehen!“ - Alte Semester? - „Ehret das Alter!“ - warum habe ich eigentlich nie gefragt. Welches Alter geehrt werden sollte – oder warum ausgerechnet nur das Alter?

Denn schaue ich mich um bei den genannten Generationsbeispielen, dann verdient genau genommen jede Generation die eingeforderte Ehre.

Wer hat mir vor dreißig in aller Ruhe gezeigt, wie das Entwickeln eines Negativ-Filmes funktioniert, dazu alles andere in der Dunkelkammer auch: ein Jugendlicher, fünfzehn Jahre jünger als ich. - Wem verdankt der weltgewandte und weit gereiste Vater die Entdeckung, dass hinter dem eigenen Haus eine riesige Welt des Mikrokosmos zu entdecken ist, allein der Neugier seiner kleinen Tochter. - Wen kann ich fragen, wie bestimmte menschliche Verrücktheiten im Zusammenwirken zwischen Vereinsmitgliedern in den Griff zu bekommen sind, den lebenserfahrenen Menschen, der mir schon zwanzig Jahre voraus ist.

Ehret das Alter, wie es Euch begegnet – auch das der Kinder! - oder mit Jesus Christus gesprochen „Wenn ihr dem Himmel näher kommen wollt, dann werdet wie Kinder!“ - Denn Kinder kennen Ihren persönlichen Wert und wissen auch den Wert des anderen unbefangen zu achten.

     

    Christel Prüßner, Diakon und Religionspädagoge