OFFEN GESAGT...
JUNI 2012 |
"Auf gepackten Koffern sitzen" |
„Da sitzt jemand auf gepackten
Koffern!“ Eine gute Reise wünscht Ihnen und Euch
allen
Das Foto entstand bei der Ersten Deutschen Museumseisenbahn (DEV) |
Christel Prüßner, |
Veröffentlicht am 26. Juni 2012 (Deister Anzeiger) Auf gepackten Koffern sitzen
Da sitzt jemand auf gepackten Koffern! Das ist in
diesen Tagen ein Bild, das mir immer wieder in den Sinn kommt. Am Montag
erlebe ich in „meiner“ S-Bahn die aus verschiedenen Richtungen nach Bad
Pyrmont anreisenden Gäste mit ihren stramm gepackten Koffern, jeder für
sich, ganz versunken in Geschäftspapieren oder Prospekten. Und am
Donnerstagnachmittag kann es geschehen, dass ich die gleichen Gesichter
wieder sehe, nun aber mit zwei oder drei anderen eifrig in Gespräche
verwickelt, lachend – und die Koffer um eine Tasche ergänzt.
Was für eine Verwandlung sich mit diesen beiden Wegen vollzogen hat. Da
musste ich an Bileam denken. Sie kennen ihn nicht? Ein Geschäftsmann, er
lebte einst im heutigen Irak. Er gehörte zu den angesehen Menschen.
Außerdem war er mit dem gewissen Ruf eines Prominenten behaftet. Es
hieß, er habe unbeschreibliche, mentale Kräfte. Auch er wurde zu einer
Geschäftsreise gebeten. Eine recht aufwendige sollte es werden, aber es
winkte auch eine königliche Belohnung, er müsse nur seine besonderen
Fähigkeiten einsetzen.
Das ging hoffnungslos schief, und Bileam weiß auch im Grunde seines
Herzens, was er falsch gemacht hat. Er ist seinem eigenen Plan
nachgerannt, der da lautete: Geldvermehrung. Seine Fähigkeiten
verkehrten sich allein durch seinen absolut falschen Blickwinkel genau
ins Gegenteil. Am Anfang seiner Reise mit den gepackten Koffern stand
das Wort „Du wirst nur das tun, was ich, Dein Gott, dir auftrage!“ Doch
Bileam dachte: Ich mache, was ich will. Dann mal zu, das kann nur schief
gehen. Zum Nachlesen: Diese Gleichnisgeschichte befindet sich in der
Bibel 4. Mose 22-24.
Während ich diese Zeilen hier schreibe, stapeln sich um mich herum die
Kartons. Unser Hausrat wird zusammengepackt und in einen ganz anderen
Teil Deutschlands verfrachtet. Ist das ein Weg, den ich gut im Blick
habe, oder ist es ein egoistisches Vorhaben, das schließlich in die
Sackgasse führt?
In den nächsten Wochen steht für Dich die Urlaubsreise an, die Planungen
sind abgeschlossen. Du überlegst, was in die Koffer gelegt werden soll.
Welches Ziel wirst Du verfolgen? Und ich denke auch an die schon
gepackten Koffer der Nachbarin. Sie weiß, dass in den nächsten Tagen ein
Anruf aus der Klinik kommt, dass sie zu einem großen Eingriff dort für
etliche Tage Aufnahme findet. Ich werde sie nicht fragen, ob sie den
richtigen Weg geht, sondern ich werde ihr wünschen, dass sie die
Begleitung ihres und meines Gottes spürt und sich nicht allein fühlt,
sondern sich auch schon auf die erleichterte Heimfahrt freuen mag.
Christel Prüßner ist Religionspädagoge und Diakon in der Kirchenregion Springe.
26.06.2012 / LKDA Seite 9 Ressort: BADM
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