2012 - Res001

"Zu viel – zu wenig – überflüssig?"

 

Offen gesagt...

    ...ich verstehe meine Welt manchmal gar nicht mehr. Vor wenigen Tagen sprach mich im Bus ein freundlicher Mitmensch an. Ihm war es wichtig, mit mir über einen OFFEN-GESAGT-Artikel zu sprechen. Der Inhalt dieser Zeilen in der Tageszeitung hatte ihn sehr in den Bann gezogen. Der Autor war ihm nicht geläufig. „Warum könnt Ihr Leute von der Kirche nicht viel öfter auch so unverkrampft schreiben?“ Einen Tag später sitze ich mit anderen in einer eher zufälligen Gesprächsrunde und wieder steht dieser eine Artikel für kurze Zeit im Mittelpunkt. „Schämt Ihr Euch jetzt schon, auch nur einmal das Wort GOTT in so einem Text unter zubringen? Das hätte ja auch jemand vom Sportverein geschrieben haben können!“ - Wie man es auch dreht, es kann nur falsch sein? - Dem einen zu viel, dem anderen zu wenig Kreuze an den Wänden. Für den einen sollen sich die Muslime mehr integrieren, aber für den anderen sollen sie bitte keine Moscheen bauen... Ganz fatal die schon seit Jahren zu beobachtende Entwicklung, dass gegen jedes soziale Übel die Kirchen ihre Kapazitäten zur Verfügung stellen sollen, aber gleichzeitig sollen ihnen die Mittel dafür vorenthalten werden. - So ließe sich die Liste des religiösen Widerspruchs lange fortsetzen. - Wie viel Mut haben Du und ich eigentlich, dem religiöse Leben in uns Raum zu geben, ohne gleich wieder in ein Normendenken zu verfallen? - Im Urlaub am Mittelmeer siehst Du das kleine Kirchlein; ist es für Dich nur das ausgemachte Fotomotiv oder ist es eine Möglichkeit zur inneren Ruhe zu kommen, ein Raum der Begegnung? - Magst Du daheim von dem erzählen, was Dich im Urlaub innerlich bewegte, anrührte? - In dem Gästebuch eine Kirche las ich vor einigen Jahren den Eintrag „Ich bin zwar nicht gläubig, aber Ihr habt es schön hier!“ in so wenigen Worten hat ein Mensch zum Ausdruck gebracht, was ihm noch zum Leben fehlt. - Genau über diesem Eintrag war zu lesen „Gott, bitte bitte, lass mein Kind die Operation überleben!“ Nichts war zu viel, nichts zu wenig, nichts war überflüssig – es musste einfach mal gesagt werden, was mich jetzt bewegt. Und dieses Vertrauen zur geschenkten Freiheit, das ist Religion. Und davon kann es nicht genug geben, das sollten wir gegenseitig fördern, so wie es NOT-Wendig ist und leistbar ist.

     

    Christel Prüßner,
    Diakon und Religionspädagoge
    in der Kirchenregion Springe (bis Okt. 2012)